Feb 2023 – Nun ging es doch schneller als prognostiziert und der finale Kompromissvorschlag zur neuen Maschinenverordnung wurde am 25.01.2023 auf den EU-Servern veröffentlicht:
Erhältlich ist das Dokument unter folgendem Link (zurzeit nur in englischer Sprache): https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=consil%3AST_5617_2023_INIT
Wir konzentrieren uns in diesem Blog-Beitrag auf die wichtigsten Anforderungen im neuen Entwurf, die sich im Vergleich zur aktuell noch gültigen Maschinenrichtlinie ändern sollen. Den englischen Text haben wir ins Deutsche übersetzt. Eine Herausforderung ist es, den englischen Begriff „instructions“ im Deutschen wiederzugeben. Bisher ist im Deutschen „Betriebsanleitung“ bevorzugt worden. Wir haben uns jedoch für die allgemeinere Formulierung „Nutzungsinformationen“ entschieden, um die klassische Vorstellung einer Betriebsanleitung als einzelnes (ausgedrucktes) Dokument in Frage zu stellen.
Gerade wir als Protagonisten für eine benutzereffiziente Kundendokumentation erhoffen uns von der neuen Maschinenverordnung eine generelle Erlaubnis, nur digitale Nutzungsinformationen bereitstellen zu dürfen. Der dieser Hoffnung entsprechende Satz lautet im neuen Entwurf zur Maschinenverordnung konkret:
Artikel 10 Punkt 7: „Die Nutzungsinformationen können in einem digitalen Format bereitgestellt werden.“
Interessant ist, dass in der aktuell gültigen Maschinenrichtlinie das Format der Betriebsanleitung gar nicht thematisiert wird. Im Guide zur Maschinerichtlinie (einer reinen Empfehlungsschrift ohne direkte gesetzliche Wirkung) wird diese für viele vielleicht überraschende Feststellung extra bestätigt. Allerdings formuliert der Guide die bekannten zumindest heutzutage unsinnigen Formulierungen hinsichtlich einer Papierpflicht für Anleitungen, weil das der „allgemeine Konsens“ sei.
Die Erlaubnis zur Bereitstellung der Anleitungen in einem digitalen Format beendet endlich die Diskussionen über eine grundsätzliche Papierpflicht für Nutzerinformationen.
Für die Konformitätserklärung als Komponente der Betriebsanleitung wird heutzutage (logisch und gesetzlich nicht nachvollziehbar) ebenfalls ein Papier verlangt.
Die neue Maschinenverordnung zur Bereitstellungsform der EU-Erklärung beseitigt die Papierpflicht endlich und fordert: „.. die Internetadresse oder den maschinenlesbaren Code, unter der/dem die EU-Konformitätserklärung abgerufen werden kann.“
Für die Ausgestaltung der digitalen Nutzungsinformationen fordert der finale Entwurf zur Maschinenverordnung:
„Werden die Nutzungsinformationen in digitaler Form zur Verfügung gestellt, muss der Hersteller:
(a) auf der Maschine oder dem verwandten Produkt sowie auf der Verpackung oder in einem Begleitdokument angeben, wie die digitale Nutzungsinformationen zugänglich sind;
(b) sie in einem Format bereitstellen, das es dem Benutzer ermöglicht, die Nutzungsinformationen auszudrucken, herunterzuladen und auf einem elektronischen Gerät zu speichern, so dass er jederzeit darauf zugreifen kann, insbesondere bei einem Ausfall der Maschine oder des verwandten Produkts. Diese Anforderung gilt auch, wenn die Nutzungsinformationen in die Software der Maschine oder des verwandten Produkts eingebettet sind;
c) sie während der voraussichtlichen Lebensdauer der Maschine oder des verwandten Produkts und mindestens zehn Jahre nach dem Inverkehrbringen der Maschine oder des verwandten Produkts online zugänglich machen.„
Der Produkthersteller muss also immer (zusätzlich) eine herunterladbare Version und eine druckbare Version der Nutzungsinformationen bereithalten. Nutzungsinformationen im HTML-Format sind als einzelne Seiten ausdruckbar und man könnte so die Forderung zur Ausdruckmöglichkeit als erfüllt ansehen. Sicher wird es juristisch motivierte Sprachakrobaten geben, die aus der Verordnung die Forderung zur Möglichkeit des Ausdruckens einer gesamten Anleitung fordern. Die ergänzende Bereitstellung der Nutzungsinformationen im PDF-Format, wie sie bereits heute üblich ist, wird wohl als Standard beibehalten werden.
Leider haben sich die Autoren der Maschinenverordnung dann doch nicht davon abbringen lassen, eine „kostenlose Papieranleitung“ als Option für die Anwender auch noch 1 Monat nach dem Kauf zu fordern:
„Auf Antrag des Nutzers zum Zeitpunkt des Kaufs stellt der Hersteller jedoch innerhalb eines Monats kostenlos die Gebrauchsanweisung in Papierform zur Verfügung.“
Dieser massive Eingriff in die Preisgestaltung ist allein schon fragwürdig. Die Technische Dokumentation ist Produktbestandteil. Kein einziges (Pflicht-)Bauteil einer Maschine, von der Schraube bis zum Schutzblech und bis Nothalt-Taster, muss der Hersteller als „kostenlos“ kennzeichnen, warum dann die Betriebsanleitung? Die Forderung nach einer kostenlosen Bereitstellung von Nutzungsinformationen ist ein Konzept, dass der Funktion und dem sinnvollen Aufwand für eine anwendergerechte Dokumentation nicht gerecht wird.
Leider ist im Entwurf zur Maschinenverordnung dann eine weitere problematische Passage zur Anleitungsform hinzugekommen, wohl mit Blick auf entsprechende Forderungen von Verbrauchschutzverbänden (aber sicher nicht basierend auf einer konkreten Evaluierung von Anwenderverhalten):
„Bei einer Maschine oder einem verwandten Produkt, die bzw. das für nicht gewerbliche Benutzer bestimmt ist oder die bzw. das unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen von nicht gewerblichen Benutzern verwendet werden kann, auch wenn sie bzw. es nicht für diese bestimmt ist, muss der Hersteller die Sicherheitsinformationen, die für die Inbetriebnahme und die sichere Verwendung der Maschine bzw. des verwandten Produkts unerlässlich sind, in Papierform bereitstellen.“
Offenbar sind die Autoren der Maschinenverordnung noch immer vom „Geist beseelt“, dass eigentlich nur gedruckte Sicherheitsinformationen zumindest für „nicht-professionelle“ Anwender eine sinnvolle Nutzung erlauben.
Die Unterstellung einer „sinnvollen Nutzung“ allein durch gedruckte Texte entspricht aber weder dem heutigen Konsumentenverhalten, noch den Marktgegebenheiten (man schaue sich nur die praktisch unbrauchbaren vielsprachigen oft schon veralteten Papieranleitungen an), und auch nicht den unschlagbaren Vorteilen, die eine digitale Nutzungsinformation bieten kann. Die Bemühungen um einen digitalen Produktpass und generell um eine größere Nachhaltigkeit und eine ökologische Ausrichtung können nur durch digitale Nutzungsinformationen unterstützt werden.
Wir möchten nochmals auf das Positionspapier hinweisen, dass die tekom auch mit ihrem Rechtsanwalt Herrn Heuer und weiteren Vertretern von namhaften Verbänden wie ZVEI, VDE, VDMA zur Bedeutung von Nutzungsinformationen in elektronischer Form bereits im Jahr 2020 formuliert hat. Dort sind folgende Grundsätze zu lesen:
Die Zukunft gehört der digitalen Betriebsanleitung [Link]:
Die neue Maschinenverordnung soll noch im ersten Halbjahr 2023 veröffentlicht werden und dann – man lese und staune – erst 42 Monate nach Inkrafttreten die alte Maschinenrichtlinie ersetzen, d. h. nach 2025.
Da die heutige Maschinenrichtlinie bereits eine digitale Dokumentation nicht verbietet, ist nun die Zeit wirklich gekommen den Paradigmenwechsel in Richtung der digitalen Betriebsanleitung anzugehen – und darunter verstehen wir gerade nicht die Bereitstellung einer Papierseitensimulation im PDF-Format.
Die SIX-Group begleitet Interessenten gerne mit Rat und Tat, um die unnötigen Einschränkungen und Unklarheiten der neuen Maschinenverordnung zu beseitigen. Die SIX-Group entwickelt für ihre Kunden gerne ein digitales Anleitungskonzept, dass sowohl Anwender zufriedenstellt als auch für den Hersteller kostengünstig ist und natürlich Normen und die künftige Maschinenverordnung erfüllt.
Wir, die Smart Information eXperts, haben uns zusammengetan, um die 550 Jahre alten Vorstellungen seit Erfindung des Buchdrucks in der Technischen Dokumentation durch zeitgemäße, benutzerfreundliche und kosteneffiziente Nutzungsinformationen zu ersetzen.
Endlich wird diese neue Sichtweise auch in einer ISO-Norm adäquat beschrieben: Einfache Sprache – Teil 1: Grundsätze und Leitlinien (ISO/DIS 24495-1:2022); Die Norm basiert auf folgenden Grundsätzen für Nutzungsinformationen:
Grundsatz 1: Die Leser erhalten, was sie brauchen (relevant).
Grundsatz 2: Die Leser können leicht finden, was sie brauchen (auffindbar).
Grundsatz 3: Die Leser können leicht verstehen, was sie finden (verständlich).
Grundsatz 4: Die Leser können die Informationen einfach verwenden (brauchbar).
Für die Verwirklichung dieser innovativen aber eigentlich selbstverständlichen Informationskonzeption setzt sich die SIX-Group ein.
Autor: Dieter Gust war bis 2021 Leiter von Forschung und Entwicklung bei der itl AG. Sein Schwerpunkt lag insbesondere im User Experience Design für Technische Dokumentation. Inzwischen begleitet Dieter Gust das Marktgeschehen als selbständiger Berater und ist Gründungsmitglied der SIX-Group.